Emotionale Verfügbarkeit Part 1: Wie erkenne ich, ob mein Gegenüber emotional verfügbar ist?

Immer wieder hören wir im Kontext der Beziehungs-Psychologie von dem Begriff „Emotional available“ bzw. „Emotional unavailable“, aber worum geht es dabei eigentlich genau? 

Emotionale Verfügbarkeit ist entscheidend für eine gesunde Beziehung, sei es romantisch, freundschaftlich oder familiär. Aber was bedeutet es eigentlich, emotional verfügbar zu sein, und wie unterscheidet es sich von emotionaler Unzugänglichkeit?

Emotional verfügbar vs. nicht verfügbar: Was ist der Unterschied?

Eine emotional verfügbare Person ist in der Lage, ihre Gefühle offen auszudrücken, einfühlsam zuzuhören und eine unterstützende Präsenz für ihre Mitmenschen zu sein. Sie sind bereit, sich auf eine tiefere emotionale Ebene einzulassen und sind in der Lage, Verletzlichkeit zu zeigen, ohne Angst vor Ablehnung oder vor Urteilen. Sie sind in der Lage, eine emotionale Bindung aufzubauen und sich authentisch in einer Beziehung einzubringen.

Im Gegensatz dazu ist eine emotional nicht verfügbare Person oft zurückhaltend, wenn es darum geht, ihre Gefühle auszudrücken. Sie können Schwierigkeiten haben, sich auf emotionale Nähe einzulassen, und neigen dazu, Distanz zu wahren oder emotionale Barrieren aufzubauen. Diese Personen können oft schwer zu erreichen sein, da sie sich möglicherweise hinter einer Fassade aus Gleichgültigkeit, Unzuverlässigkeit oder Desinteresse verstecken.

Anzeichen von emotionaler Unzugänglichkeit

Es gibt mehrere Anzeichen, die darauf hindeuten können, dass dein Gegenüber emotional nicht verfügbar ist:

  • Fehlendes Interesse an deinen Gefühlen: Sie zeigen wenig (echtes) Interesse an deinen emotionalen Bedürfnissen und sind oft distanziert, wenn es um tiefere Gespräche geht.
  • Vermeidung von Nähe: Sie ziehen es vor, emotionale Distanz zu wahren und vermeiden es, sich auf eine tiefere Ebene einzulassen.
  • Schwierigkeiten beim Ausdruck von Gefühlen: Sie tun sich schwer damit, ihre eigenen Gefühle auszudrücken oder darüber zu sprechen, selbst wenn sie dazu aufgefordert werden.
  • Unzuverlässigkeit in Beziehungen: Sie neigen dazu, sich zurückzuziehen oder unvorhersehbar zu sein, wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen geht, und können Schwierigkeiten haben, sich auf langfristige Bindungen einzulassen.
  • Geringe Empathie: Sie zeigen wenig Verständnis oder Einfühlungsvermögen für die Gefühle anderer und reagieren oft gleichgültig oder distanziert auf emotionale Bedürfnisse.

Was sind ganz konkrete Verhaltensweisen, die in diesem Kontext oft auftreten:

  • Geringe Bereitschaft zur Kommunikation: Sie sind oft unwillig oder unfähig, über ihre eigenen Gefühle zu sprechen oder sich auf tiefere Gespräche einzulassen.
  • Distanzierung: Sie neigen dazu, emotionale Distanz zu wahren und vermeiden es, sich auf eine tiefere Ebene einzulassen, sei es durch körperliche Nähe oder emotionale Intimität.
  • Unvorhersehbarkeit in Beziehungen: Sie können unzuverlässig sein oder Schwierigkeiten haben, sich auf langfristige Bindungen einzulassen, und neigen dazu, sich zurückzuziehen, wenn die Beziehung zu intim oder emotional herausfordernd wird.
  • Kritik oder Ablehnung von Gefühlen: Sie neigen dazu, die Gefühle anderer abzusprechen oder abzuwerten und haben Schwierigkeiten, Mitgefühl oder Verständnis zu zeigen.
  • Vermeidung von Verpflichtungen: Sie ziehen es oft vor, unverbindlich zu bleiben und sich nicht auf langfristige oder tiefe Beziehungen einzulassen, sei es romantisch, freundschaftlich oder familiär.
  • Flucht in Ablenkungen: Sie flüchten sich häufig in Ablenkungen wie Arbeit, Unterhaltung oder andere Aktivitäten, um sich von ihren eigenen Emotionen oder den Bedürfnissen anderer abzulenken.
  • Inkonsequentes Verhalten: Sie könnten widersprüchliche Signale senden oder sich inkonsistent verhalten, was es schwierig macht, ihre wahren Absichten oder Gefühle zu verstehen.
  • Mangelnde Selbstreflexion: Sie sind häufig nicht in der Lage oder nicht bereit, sich selbst kritisch zu hinterfragen oder ihr Verhalten zu analysieren. Das kann dazu führen, dass sie sich ihrer eigenen Handlungen und deren Auswirkungen auf andere nicht bewusst sind.
  • Vermeidung von Konfrontation: Sie gehen Konfrontationen oder unangenehmen Gesprächen aus dem Weg und übernehmen keine Verantwortung für ihr Verhalten.
  • Sich als Opfer sehen: Einige emotional nicht verfügbare Personen neigen dazu, sich selbst als Opfer von Umständen oder anderen Menschen zu betrachten und die Ursachen für ihr eigenes Verhalten auf äußere Einflüsse oder Umstände zu schieben.
  • Fehlende Verantwortung für das eigene Verhalten: Emotional nicht verfügbare Personen neigen dazu, keine Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen und versuchen daher, ihre Versprechungen oder Aussagen zu relativieren oder zu rechtfertigen, wenn sie nicht mit ihren Handlungen übereinstimmen.
  • Vermeidung von gesunder Kommunikation: Emotional nicht verfügbare Menschen können dazu neigen, Vermeidungstechniken wie Gaslighting oder Tone Policing einzusetzen, um zu vermeiden, über das Wesentliche oder unbequeme Themen zu sprechen. Mehr dazu im Blogartikel „Emotionale Manipulation in Beziehungen erkennen“.

Diese Verhaltensweisen können variieren und sind nicht in jedem Fall eindeutig. Einige Menschen können auch eine Mischung aus emotional verfügbarem und nicht verfügbarem Verhalten zeigen, abhängig von den Umständen und ihrem eigenen inneren Zustand.

Umgang mit emotionaler Unzugänglichkeit

Wenn du das Gefühl hast, dass dein Gegenüber emotional nicht verfügbar ist, ist es wichtig, angemessen darauf zu reagieren:

  • Kommunikation: Versuch, offen und ehrlich mit deinem Gegenüber über deine Bedenken zu sprechen. Teile deine eigenen Gefühle und Bedürfnisse und ermutige dein Gegenüber, das Gleiche zu tun. Allerdings kann es natürlich auch in diesem Gespräch gut sein, dass wenig Verständnis oder Empathie aufgebracht wird für dein Gefühl und deine Bedürfnisse.
  • Akzeptanz der eigenen Erwartungen: Mach dir bewusst, dass deine Erwartungen und dein Bedürfnis nach emotionaler Verfügbarkeit durchaus berechtigt ist. Häufig zweifeln wir an uns und geben uns die Schuld, haben das Gefühl zu viel von der anderen Person zu erwarten. Mach dir bewusst, dass das nicht der Fall ist.
  • Grenzen setzen: Setze klare Grenzen für dich selbst und kommuniziere deutlich. Wenn dein Gegenüber nicht bereit ist, sich emotional zu öffnen, musst du möglicherweise entscheiden, wie viel du in die Beziehung investieren möchtest.
  • Selbstpflege: Konzentriere dich auf deine eigenen Bedürfnisse und achte darauf, dass du dich selbst ausreichend unterstützt. Such dir bei Bedarf professionelle Unterstützung, um mit den Herausforderungen umzugehen, die eine Beziehung zu einer emotional nicht verfügbaren Person mit sich bringen kann.

Fazit:

Insgesamt ist es wichtig zu erkennen, dass emotionale Verfügbarkeit eine grundlegende Voraussetzung für eine gesunde Beziehung ist. Wenn du feststellst, dass dein Gegenüber emotional nicht verfügbar ist, ist es wichtig, auf deine eigenen Bedürfnisse zu achten und angemessen zu reagieren, um deine eigene emotionale Gesundheit zu schützen. Hör unbedingt auf deine innere Stimme und vertraue auf sie.

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